Filter Bubble by Carl Hanser Verlag

Autor:Carl Hanser Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2012-06-15T00:00:00+00:00

Herren der Wolke

Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie Personalisierung für politische Zwecke eingesetzt werden kann, habe ich mit einem Mann namens John Rendon gesprochen.

Rendon beschreibt sich selbst als »Informationskrieger und Wahrnehmungsmanager«. Aus dem Hauptsitz der Rendon Group in Washingtoner Stadtteil Dupont Circle bietet er US-Ministerien und ausländischen Regierungen seine Dienste an. Als die amerikanischen Truppen während des Ersten Irakkriegs in Kuwait einrollten, fingen die Fernsehkameras Bilder von Hunderten Kuwaitern ein, die fröhlich mit amerikanischen Flaggen wedelten. »Haben Sie sich schon einmal gefragt«, fragte er später eine Zuhörerschar, »wie die Bevölkerung Kuwaits nach sieben langen und qualvollen Monaten der Besatzung an amerikanische Handflaggen kommen konnte? Oder an die Flaggen der Koalitionsländer? Jetzt kennen Sie die Antwort: Das war Teil meines Jobs.«13

Rendons Arbeit ist zum großen Teil geheim – er genießt einen Topsecret-Status, den sogar einige hochrangige Agenten nicht bekommen. Seine Rolle in der proamerikanischen Propaganda in Irak unter George W. Bush ist unklar: Während einige Quellen ihn als zentrale Figur herausstellen, verneint Rendon jegliche Einmischung. Aber sein Traum ist eindeutig: Rendon wünscht sich eine Welt, in der das Fernsehen »politische Entwicklungen antreibt« und »Grenzpatrouillen durch Infrarotüberwachung ersetzt« werden und »man gewinnen kann, ohne zu kämpfen«.14

Nach all dem war ich ein wenig überrascht, als er mir seine wichtigste Waffe nannte: ein Synonymwörterbuch.15 Die öffentliche Meinung, sagte mir Rendon, verändere man vor allem dadurch, dass man andere Arten findet, dasselbe auszudrücken. Er beschrieb eine Matrix, mit extremer Sprache oder Meinungen auf der einen und abgemilderter Sprache auf der anderen Seite. Wenn man analysiert, wie die Menschen in einem Land zu einem bestimmten Ereignis stehen – sagen wir einem neuen Waffenvertrag mit den USA –, und die richtigen Synonyme findet, um sie zu einer zustimmenden Haltung zu bewegen, könne man »eine Debatte lenken«. »Es ist viel einfacher, nah an der Realität zu bleiben« und diese in die richtige Richtung zu schieben, sagte er, als eine ganz neue Realität zu schaffen.

Rendon hatte mich bei einer Veranstaltung, an der auch er teilnahm, über Personalisierung sprechen hören. Filter Bubbles, sagte er mir, böten neue Möglichkeiten zur Wahrnehmungssteuerung. »Es beginnt damit, dass man in den Algorithmus gelangt. Wenn man einen Weg finden könnte, seinen Inhalt heraufzuladen, und dann nur noch dieser Inhalt von dem Algorithmus ausgewählt würde, hätte man eine bessere Chance, Überzeugungsmuster zu formen«, sagte er. Wenn man richtig hinschauen würde, vermutete er, könne man schon jetzt Anzeichen für dieses Vorgehen finden. Überzeugungen würden mit der Zeit algorithmisch verschoben.

Während die Filter Bubble also die Meinungen im zukünftigen Irak oder in Panama steuern könnte, zeigte sich Rendon ernsthaft besorgt über die Auswirkungen von vorsortierenden personalisierten Filtern in der eigenen Demokratie. »Wenn ich ein Foto von einem Baum mache«, sagte er, »muss ich wissen, in welcher Jahreszeit wir uns befinden. Ein Baum sieht je nach Jahreszeit anders aus. Er könnte krank sein oder einfach nur sein Laub verlieren, weil Herbst ist.« Um gute Entscheidungen zu treffen, ist der Kontext ganz entscheidend – darum ist das Militär auch so fixiert auf die sogenannte »360° Situational Awareness«. In der Filter

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